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Mit geübtem Schwung gießt der Mann mit Kittel und Haarschutz aus einer Dose Farbe auf die brettartige Fläche. Die Rakel erfasst den hellgrauen dünnen Brei und verteilt ihn gleichmäßig. Hin und her, hin und her wandert das Werkzeug in der vollautomatischen Siebdruckanlage. Es presst die Farbe durch die Öffnungen des Siebs auf die Kunststoffplatten, die das Förderband in regelmäßigen Abständen heranschafft und exakt ausrichtet. Bögen, Punkte, Zahlen und Ringe sind zu erkennen, hier schwarz, dort rot – und nach diesem Durchgang – silbern leuchtend. Einer von mindestens zwölf Druckvorgängen in der Serienfertigung bei der Continental Automotive GmbH im Werk Babenhausen: Hier entstehen die Zifferblätter von Tachometern, Benzinanzeigern und Drehzahlmessern für die sog. Kombi-Instrumente, die der Autozulieferer in den angrenzenden Produktionshallen komplett baut.
Vanessa Langendorf und DIHK-Präsident Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann
Vanessa Langendorf hat seit dem Ende ihrer Ausbildung mit dem Drei-Schicht-Betrieb der Seriendruckerei nur noch indirekt zu tun. Gleich nach ihrem ausgezeichneten Abschluss wechselte sie in die Entwicklungsabteilung der Firma. Nun konstruiert Langendorf Zifferblätter mit Hilfe von CAD-Software, die den Gestaltungswünschen des jeweiligen Autoherstellers entsprechen und zugleich unter den Bedingungen der Massenproduktion machbar sind. „Das ist oft eine knifflige Aufgabe, besonders mit dem Termindruck im Nacken“, sagt die Bundessiegerin im technischen Siebdruck.
Diese Verfahrenstechnik hat beim Autozulieferer am Stadtrand von Babenhausen eine lange Ausbildungstradition. Nur noch die Firmenadresse „VDO-Straße“ erinnert an den ursprünglichen Hersteller von Anzeigeinstrumenten am Armaturenbrett. Nach mehreren Eigentümerwechseln gehört der Betrieb seit 2008 zur Automotive Gruppe von Continental. Rund 2100 Beschäftigte stellen für so gut wie alle Automarken weltweit die Kombi-Instrumente her. Das Werk in Hessen, zwischen Aschaffenburg und Darmstadt gelegen, braucht immer wieder gute Fachkräfte im technischen Siebdruck. Eine Herausforderung, der die Ausbildungsabteilung gewachsen ist: Schon zwei mal stellte der Autozulieferer Bundessiegerinnen in diesem Beruf.
Um Einblick in die Maschinen- und Fertigungsabläufe zu bekommen, absolvieren die angehenden Siebdrucker/innen gemeinsam mit den hauseigenen Metall- und Elektro-Azubis Lehrgänge in Mechanik und Pneumatik. Ihr spezielles Handwerk – von der Zeichnung über die Computererfassung bis zum fertigen Produkt – üben die Siebdrucker-Lehrlinge in einer eigenen Werkstatt. Sie gestalten beispielsweise zum Girls' Day T-Shirts oder entwerfen und drucken Hinweisschilder zum Umweltschutz für die Werkshallen. „Sie lernen die ganze berufliche Palette kennen und können mit verschiedenen Materialien wie Glas oder Textil experimentieren“, sagt Ausbildungsleiter Wolfgang Michel und fügt hinzu: „Da unterscheiden wir uns von kleinen Betrieben, die junge Leute nicht so intensiv betreuen können.“ Gerade macht eine Auszubildende aus einer handwerklichen Siebdruckerei hier bei der Prüfungsvorbereitung mit, um auch mit der halb- und der vollautomatischen Herstellung vertraut zu werden.
Die Produktion von Tacho-, Tank- und Temperaturanzeigern ist eine anspruchvolle Form des technischen Siebdrucks: Die Autohersteller erwarten ein unverwechselbares Aussehen der Messinstrumente im Blick des Fahrers, völlige Fehlerfreiheit im Druckbild und lange Haltbarkeit. „Die Prüfungsdrucke waren dagegen nicht so schwierig“, erinnert sich Vanessa Langendorf an ihre Abschlussarbeit an der großen Serienanlage. Jetzt tüftelt die 22-Jährige an neuen Zifferblatt-Modellen, die auch in 3-D-Form perfekt aussehen, die bei Tageslicht und indirekter Beleuchtung gleichermaßen gut lesbar sind. „Das ist oft nicht ganz leicht, wird aber nie langweilig – und ist genau das, was mir Spaß macht.“ Deshalb denkt die Entwicklerin derzeit auch nicht ans Studieren oder eine andere Weiterqualifizierung. „Außerdem ist es viel wert, in der heutigen Zeit einen so guten Job zu haben.“
Bevor junge Leute bei Continental Automotive eine Lehrstelle bekommen, müssen sie einige Hürden nehmen, berichtet Ausbildungsleiter Michel: „Ge¬rade beim Siebdruck ist ein Praktikum wichtig, um sich das Arbeitsgebiet überhaupt vorstellen zu können.“ Bei Test und Bewerbungsgespräch spielen die Noten nicht die ausschlaggebende Rolle, sagt er. „Es gibt junge Leute, die in der Schule nicht besonders gut sind. Wenn ihnen aber die Praxis Spaß macht, klappt es auch mit der Theorie.“.
Im Herbst 2009 hat in Babenhausen Benjamin Ruess, ein gehörloser junger Mann, mit der Ausbildung zum technischen Siebdrucker begonnen. In zwei Praktika testeten die Firma und er selbst aus, ob das Experiment funktionieren kann. Der Ausbilder in der Siebdruckwerkstatt, John-Michael Ballard, ist überzeugt davon: „Benjamin denkt mit, schaut voraus und versteht sehr schnell, was er tun soll.“ Ein Kommunikationsmix hat sich eingespielt: Was der Gehörlose nicht zweifelsfrei von den Lippen ablesen kann, wird durch Gestik und Mimik unterstrichen oder als Stichwort aufs Papier geschrieben. Spezieller Berufsschulunterricht findet am Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg Essen in Blockform statt.
Im Babenhausener Werk haben Experten der Arbeitssicherheit inzwischen festgestellt, wo akustische Warnsignale um optische Zeichen ergänzt werden müssen, damit Benjamin Ruess sie erkennt. Ausbilder Ballard lernt in seiner Freizeit die Gebärdensprache: „Das fasziniert mich!“ Und gemeinsam mit Ausbildungsleiter Michel denkt er schon darüber nach, welche Vorsorge sie für die praktischen Prüfungen treffen müssen. „Wenn Benjamin so weitermacht“, glaubt Michel, „kann er Bundessieger werden.“
Helga Ballauf