Buchbinderinnen und Buchbinder in Aktion

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Bestenehrung der IHK

Die Nationale Bestenehrung

Die Deut­­sche Indus­­trie- und Handelskammer­ (DIHK) zeic­hnet regelmäßig Aus­zu­­bil­dende für ihre hervor­ragen­den Prüfungs­er­geb­nisse aus. Auch Aus­zu­­bil­dende aus der Druck- und Medi­en­wirt­schaft sind immer wieder unter den Gewin­nern. Siehe auch  Web­­s­eite des DIHK.

Wie ein solcher Aus­bildun­gserfolg gelingt, zeigt folgendes be­trieb­liche Beis­piel vom Bundesbesten-Wett­bewerb 2009.

Eine glückliche Hand fürs Buch – Buchbinderei M. Appl GmbH & Co. KG im bayerischen Wemding

Im raschen Takt schafft das Förder­band gehef­t­ete und beschnit­tene ­Seiten heran. Versc­hi­edene Werkzeuge bearb­e­i­ten den Buc­hr­ü­cken: wöl­ben, anleimen, mit Lei­nen­band ver­s­ehen, Buch­de­cke um den Block klap­pen, pres­sen, weiter. Kleine Sichtfenster geben den Blick auf die folgenden Fer­tigun­gssc­hritte frei und zeigen dem Maschi­nenf­ührer an der Buch­straße, ob er ein­gre­ifen muss. Die Ind­u­s­t­riebuchbinde­rei M. Appl GmbH & Co. KG im baye­ri­schen Wemding hat sich auf die Herstellung von fad­eng­ehef­t­eten Soft- und Hardco­vern spezialisiert, auf farbige Kata­loge und Bücher, die um Beil­agen, Karten oder CDs ergänzt werden können.

And­r­eas Maier überwacht gerade den Pro­duk­t­i­ons­a­bschnitt, an dem die Papp­de­cken ein­gelegt werden. Der hochgewachsene junge Fach­arb­eiter beher­r­sche inzw­isc­hen alle Maschinen ziemlich gut, sagt Betri­e­bs­l­eiter Tho­mas Kowalzik, ob Falz­masc­hine, Fade­nheft­a­utomat, Klebe­binder oder Buch­straße. Eine reife Lei­s­tung für einen 20jä­h­rigen mit einem knap­pen Jahr Berufserfahrung. Kein Zufall also, dass Maier die Aus­bil­dung zum Ind­u­s­t­riebuchbin­der 2009 als „Bundessieger“ bestand. Er ist der zweite der­art ausgezeichn­ete Auszu­bil­dende im Hause M. Appl in Folge.

Die Buchbinderei ist Teil der Firmengruppe Appl, zu der mehrere Dru­cke­reien im gesamten Bundes­gebiet gehören. Das Fami­l­i­en­u­nte­r­neh­men wurde vor gut 100 Jahren in der Kleinstadt Wemding als Zei­tungs­verlag gegründet. Nach wie vor wird hier gedruckt: Anzeigenblätter, Werbep­rospekte, Buch- oder Kata­l­o­g­seiten. Häufig wandern die Paletten mit den mehrfarbigen Bogen gleich in die Nachbarhalle, um von den hauseigenen Weiterv­e­r­arbeitern in präch­tige Bildb­ände, prak­ti­sche Kochbücher oder robu­ste Schul­b­ücher ver­wandelt zu werden.


And­r­eas Maier und DIHK-Präsident Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann

Nur durch eine hohe Glasscheibe von der hoch­automa­tisie­rten Fer­tigung getrennt liegt die Werk­statt. Und doch könnte der Kontrast kaum größer sein: Denn hier im „Sortiment“ entste­hen Einzel­stü­cke nach allen Regeln der handwerk­lic­hen Buchbinderkunst. Fachkräfte ste­l­len Vorab­muster für die Ver­lagskunden her und unter­we­i­sen die Auszu­bil­denden im ersten Lehrjahr in allen Tech­ni­ken. „So erfa­hren wir, wie ein Buch entsteht und bekommen eine Ahnung davon, was in den Maschinen passiert“, lobt Bundessieger Maier.

Auch für Betri­e­bs­l­eiter Kowalzik trägt die Musterma­cherei das Entscheidende zu einer guten Fach­arb­eit­eraus­bil­dung bei, weil, wie er sagt, „hier die Auszu­bil­denden ein Gefühl für das Buch, für die Materialien und ihre Eigenschaften entw­i­ckeln“. Das heißt beis­pielsweise: Wer von Hand mit Kleber und Kar­ton gearb­ei­tet hat, weiß, wie dick später der Leim in der Maschine sein darf. Oder: Wer begri­ffen hat, dass Pappe eine Lau­f­rich­tung hat, merkt frühzei­tig, wenn das Mater­ial falsch in der Anlage liegt. Als Mit­g­lied des Prüfungs­ausschu­s­ses der IHK Schwa­ben für den Beruf Buchbinder/in Fach­rich­tung Buchfer­t­igung (Serie) kann Kowalzik Verg­leiche ziehen: „Wer von Anfang an nur an einer bestimm­ten Maschine steht, kann nicht so gut werden.“

Potenzi­elle Azubis durchla­ufen in der Firma ein mehr­stufi­ges Aus­wahl­ver­fa­hren. In der Regel kommen Absolventen von Haupt- und Realschule zum Zug. „Entscheidend sind weniger die Noten als der Wille, in dem Beruf arb­eiten zu wol­len. Und der zeigt sich im Prak­tikum bei uns“, sagt Betri­e­bs­l­eiter Kowalzik. Für Abiturie­n­ten komme die Tätigk­eit als Ind­u­s­t­riebuchbin­der eher nicht in Frage, betont er. Schließ­lich han­dle es sich um „Fabrik­arbeit“ im Zwei- oder Drei-Schicht­be­t­rieb mit begrenz­ten Auf­stiegsmöglichk­e­i­ten bei einer Belegschaft von knapp 100 Beschäf­ti­gten.

Zugleich sieht Kowalzik, der selbst die Meiste­rschule für Buchbinderei besucht hat, wie viel Entwi­cklun­gs­po­tenzial in der Weiterv­e­r­arb­ei­tung ste­c­ken. „Wir brauc­hen neue Ideen; wir müs­sen die Kunden viel mehr beraten“, sagt er. Den Preiskampf in der Branche best­ehe nur, wer mehr anbi­ete als einen schlich­ten Ein­band um bedru­ckte ­S­e­i­ten. Der Betri­e­bs­l­eiter denkt an Materialien, die einen besonderen hap­t­isc­hen Eindruck auslö­sen, an den Ein­satz von Siebdruck­ver­fa­hren oder besondere Lacki­eru­ngen. Ohne talen­t­ierte und engag­ierte Fach­arb­eiter geht das nicht.

Dabei weiß Kowalzik, wie schwie­rig es ist, gute Buchbinder im Werk zu halten. Der erste „Bundessieger“ etwa wird dem­nächst die Firma ver­l­as­sen und von der Buch­straße auf die Schulbank wechseln, um die Fach­hochschulreife zu erwer­ben. Für das mit­telständi­sche Unte­r­neh­men heißt das: Wir müs­sen neue Wege der Nach­wuchsförd­erung gehen. Das ist die Aufgabe von Jen­ni­fer Elli­nger. Sie betreut das Duale Stud­ium in der Firmengruppe Appl.

Erfahru­ngen gibt es in Wemding bereits mit dem Abs­chluss in Betri­ebswirtschaft in Koope­ra­tion mit der Beruf­sakademie (jetzt: Hochschule) Heide­n­heim. Nun wird auch noch das Wirt­schafts­inge­nieur­wesen dazu kommen. „Ziel ist“, sagt Elli­nger, „geeignete junge Leute für das mittlere Manag­em­ent an das Haus zu binden.“ Solche Posi­tio­nen sind immer häufiger in dem Unte­r­neh­men mit knapp 850 Beschäf­ti­gten in sie­ben Werken zu beset­zen. Auf pas­sende Hochschu­l­ab­solv­e­n­ten kann und mag die Firma nicht warten: Wer kommt schon in die Pro­vinz zurück, wenn er oder sie mal an das Leben in einer Uni­v­er­s­i­täts­stadt gewöhnt ist? Da wirbt Elli­nger lieber gleich an den Gym­na­sien und Fachober­schu­len der Umg­ebung mit der Chance auf eine kom­pakte Doppel­qualifi­zierung in der Region – spätere Karr­iere an den Appl-Sta­ndor­ten mit Nähe zu Hamburg oder München nicht aus­gesch­los­sen.

Helga Ballauf